Kein Biber
„Oh, ein Biber!“ rufen manche Leute begeistert, wenn sie ein großes braunes Pelztier im Wasser schwimmend oder am Ufer sitzend entdecken. Meistens ist es jedoch eine Nutria: Die Nutria (Myocastor coypus), auch Biberratte genannt, ist eine aus Südamerika stammende Nagetierart, die vor 100 Jahren nach Europa zur Zucht in Pelztierfarmen eingeführt wurde. Entflohene Farmtiere haben sich seither so stark vermehrt, dass die Nutria in Mitteleuropa flächendeckend häufig geworden und fast überall an Flüssen, Seen und Teichen zu finden ist. In Rheinland-Pfalz siedeln viele Tiere am Rhein oder an Flüssen wie Lauter, Nahe und Selz. Aber auch Besucher des Diezer Generationenparks kennen sie gut.
Merkmale
Im Gegensatz zum heimischen Biber ist die Nutria um ein Drittel kleiner, hat einen rattenähnlichen runden Schwanz, gut sichtbare Ohren und zahlreiche helle Schnurrbarthaare. Die ebenfalls eingewanderte Bisamratte sieht dem Biber ähnlicher, ist aber nur halb so groß wie die Nutria. Die Nutria erreicht eine Körperlänge von bis zu 65 cm und wiegt bis zu zehn Kilogramm. Hinzu kommt der etwa 40 Zentimeter lange Schwanz. An den Hinterfüßen trägt sie Schwimmhäute zwischen den Zehen. Auffällig ist bei erwachsenen Tieren die orange Färbung der Nagezähne, die durch Eiseneinlagerung entsteht. Die Fellfarbe ist meist rötlichbraun, an der Bauchseite leicht gräulich.Nutrias sind sowohl tag- als auch nachtaktiv. Sie ernähren sich überwiegend vegetarisch von Blättern, Stängeln, Wurzeln von Wasserpflanzen und Hackfrüchten, fressen aber auch Schnecken, Würmer und Süßwassermuscheln. Als Bauten graben sie sich Erdhöhlen in Uferhänge oder „Nester“ aus Schilf und dünnen Stöcken, deren Eingänge im Gegensatz zu Bisam- und Biberbauten oberhalb der Wasserlinie liegen.
Fortpflanzung
Die monogamen Nutrias können über zehn Jahre alt werden und leben entweder paarweise oder in Familiengemeinschaften von rund einem Dutzend Tieren. Sie können sich zu jeder Jahreszeit fortpflanzen und zwei- bis dreimal im Jahr bis zu acht Junge werfen. In den vergangenen 20 Jahren hat sich dadurch die Zahl der Nutrias in Deutschland fast verdreifacht, zumal die kälteempfindlichen Tiere unsere wärmer gewordenen Winter inzwischen wesentlich besser überstehen.
Viele Nutrias, viele Probleme
Durch ihr nun massenhaftes Vorkommen sind Nutrias zu einem echten Problem geworden: Weniger aufgrund der gelegentlichen Fraßschäden an Feldfrüchten in der Landwirtschaft, sondern eher, weil sie seltene und geschützte Arten gefährden, indem sie heimische Schnecken, Muscheln oder Libellen fressen oder mit dem Uferschilf deren Lebensraum zerstören. Das Hauptproblem liegt jedoch beim Wasserbau: Nutrias graben ihre meterlangen Röhren und Kessel in Uferhänge und unterhöhlen dabei Deichanlagen und empfindliche Uferbereiche. Schlimmstenfalls kann ein von Nutrias besiedelter Deich bei Hochwasser brechen! Weil das lebensgefährlich werden kann, müssen die Dämme besonders überwacht werden.
Invasive Art
Tatsächlich wird die Nutria daher zu den 100 weltweit schädlichsten invasiven Arten gezählt. Folgerichtig ist sie 2016 in die Liste invasiver gebietsfremder Arten von unionsweiter Bedeutung für die Europäische Union aufgenommen worden, was die weitere Einfuhr und Zucht verbietet und ein Bestandsmanagement vorschreibt – mit anderen Worten ihre ganzjährige Bekämpfung und Bejagung zur Populationsbegrenzung.
Bitte nicht füttern!
Dies stößt in der Öffentlichkeit häufig auf Unverständnis, denn Nutrias sehen putzig aus, sind in Park- und Stadtrevieren an Menschen gewöhnt und lassen sich gerne von ihnen mit Gemüse und Obst füttern. Was soll an so einem niedlichen Vegetarier denn schlimm sein, fragen viele Menschen. Die massiven Ufer-, Gewässer- und Naturschäden bleiben ihnen leider verborgen. Daher können wir an dieser Stelle nur darum bitten, die aus gutem Grund erlassenen Fütterungsverbote zu beherzigen und damit auch der Nährstoffverseuchung vieler Gewässer durch Lebensmittel und Tierkot entgegenzuwirken.