Das Wetter in unserer Region war seit dem Herbst durch langanhaltende, ergiebige Regenfälle und zuletzt durch strengen Frost geprägt – schwere Zeiten für eine faszinierende, aber wenig bekannte Vertreterin unserer heimischen Fauna: die Steinlaus.
Ein seltener Nahrungsspezialist
Die Echte Steinlaus (Petrophaga lorioti, v.Bülow) wurde der breiten Öffentlichkeit erst 1976 durch Bernhard Grzimek i.V. bekannt gemacht: Schon damals betonte der Zoologe die Seltenheit und Bedrohung des scheuen, aber possierlichen kleinen Nagers, der in der Regel unterirdisch lebt und aufgrund seiner geringen Größe, der unauffälligen Färbung, den ruhigen Bewegungen und dem Fehlen von Lautäußerungen kaum zu entdecken ist. Im Gegensatz z.B. zu Steinadler, Steinkauz, Steinbock oder Steinmarder weist der Name der Steinlaus auf ihre Nahrung hin, denn sie ernährt sich tatsächlich von Silikaten, also von Steinen. Irrtümlich nahm man in den 1970er Jahren noch an, dass die Steinlaus auf ihrer Futtersuche keinen Unterschied zwischen Naturstein und anthropogenem Beton mache und sogar Eisenträger vertilgen könne. Heute wissen wir, dass sie nur bei großer Nahrungsnot auf künstliche Silikate und andere Stoffe ausweicht, da ihr empfindlicher Organismus darauf mit Verdauungsstörungen und letztlich mit Unfruchtbarkeit reagiert.
Anpassungsfähig, aber bedroht
Durch menschliche Bauwut, Zersiedelung und Versiegelung der Landschaft verlor die Steinlaus seit dem 20. Jahrhundert einen großen Teil unbebauter Habitate und Natursteinlagerstätten. Lebensraummangel und die Beschränkung auf schädliche Betonkost, oft plastikverseucht, sind heute für sie allgegenwärtig. Verschärfend tritt hinzu, dass die moderne Landwirtschaft immer schwerere Maschinen einsetzt, die die Böden verdichten und deren Gehalt an Bodenluft reduzieren, auf den die atmende Steinlaus lebensnotwendig angewiesen ist. Kommt wie in den letzten Monaten noch Wassersättigung der Erde durch Dauerregen hinzu, dann können lokal ganze Steinlauspopulationen untergehen. Zum Glück legen die fleißigen Tiere regelmäßig überirdische Wintervorräte an, die wohl schon jeder Spaziergänger als sogenannte „Lesesteinhaufen“ in Feld und Flur gesehen hat, ohne ihre wahre Herkunft zu erkennen. Unter diesen Steinhaufen können sie zeitweilig überdauern. Zudem haben sich Steinläuse Baustellen als Nahrungsquellen erschlossen: Dort verursachen sie den für Laien unerklärlichen Schwund von Baumaterialien wie Splitt, Kies, Findlingen und Sand sowie leider auch von Bodenfliesen und Sanitärkeramik. Überdies wurden die umstrittenen „Steingärten“ im Siedlungsbereich als Sekundärhabitate angenommen. Daher konnte die Steinlaus zwar knapp überleben, ist jedoch weiterhin vom Aussterben bedroht.
Deutschland steht in der Verantwortung
Dies ist umso schlimmer, als die Steinlaus bisher nur in Deutschland nachgewiesen werden konnte. Mithin handelt es sich bei ihr um eine sogenannte „Verantwortungsart“, deren Erhalt Deutschland gemäß der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt der Weltgemeinschaft schuldet. Aus Naturschutzsicht sind daher zunächst die Beschränkung der Flächenversiegelung sowie der Übergang zu bodenschonenden Anbaumethoden zu fordern. Zudem sollten alte Steinbrüche unter Schutz gestellt und Baumaterialien recycelt werden, um die natürlichen Gesteinslager nicht zu erschöpfen.
Helfen Sie mit!
Aber auch im heimischen Garten können Naturfreunde der Steinlaus helfen! Die erwähnten Steingärten haben allerdings zu viele ökologische Nachteile, um sie zur Steinlausförderung zu empfehlen. Stattdessen sollten ausgegrabene Steine im Naturgarten nicht entfernt, sondern an Beeträndern oder unter Hecken aufgehäuft werden. Zudem sollte man Beton bei der Gartengestaltung generell vermeiden. Und auch in die Winterfütterung kann man Steinläuse einbeziehen: Unter den Vogelfutterhäusern streut man Basaltsplitt und Kiesel aus und sollte auch Bims und Kalkbröckchen hinzufügen, denn junge Steinläuse sind Weichfresser. Mit etwas Glück können Sie auf diese Weise ganz besondere neue Gartenbewohner anlocken!